Wiener Gericht: Islamischer Sharia-Spruch in Österreich gültig

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Islamisches Recht hält Einzug in Österreichs Gerichtssäle: Das Wiener Landesgericht hat entschieden, dass Schiedsverfahren nach Scharia-Regeln möglich sind – solange das Ergebnis nicht gegen die Grundwerte der Rechtsordnung verstößt.
Ein Urteil des Wiener Landesgerichts für Zivilrechtssachen sorgt für Diskussionen: Vertragsparteien können in Österreich islamisches Recht als Grundlage für ein Schiedsverfahren vereinbaren. Das Gericht bestätigte jetzt einen Schiedsspruch, der auf Basis einer solchen Vereinbarung zustande gekommen war – und setzte damit ein klares Signal, wie weit die Privatautonomie im österreichischen Recht reicht.
Ausgangspunkt war ein Vertrag zweier Muslime, die ausdrücklich vereinbart hatten, dass im Fall von Streitigkeiten ein Schiedsgericht „nach islamischen Rechtsvorschriften (Ahlus-Sunnah wal-Jamaah)“ entscheiden solle. Als es zum Konflikt kam, sprach das Schiedsgericht einem der beiden eine Zahlung von 320.000 Euro zu. Der unterlegene Mann wollte das Urteil nicht akzeptieren und zog vor das Landesgericht. Er argumentierte, die Scharia sei nicht einheitlich, werde von verschiedenen Gelehrten unterschiedlich ausgelegt und widerspreche zudem den Grundwerten des österreichischen Rechts. Damit, so sein Standpunkt, dürfe ein Schiedsspruch auf dieser Basis nicht bindend sein
Klare Grenzen durch den ordre public
Die Richter wiesen diese Argumentation zurück. Nach § 603 ZPO können Parteien frei bestimmen, nach welchen Rechtsvorschriften ein Schiedsgericht entscheidet. Diese Freiheit sei weit zu verstehen und schließe ausdrücklich auch nichtstaatliche Systeme wie islamische Rechtsregeln ein. Entscheidend sei einzig, ob das Ergebnis des Schiedsspruchs gegen die „Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung“ verstoße.
Im konkreten Fall sei dies nicht gegeben. Das Schiedsgericht habe ordnungsgemäß Beweise erhoben, die Parteien angehört und eine nachvollziehbare Begründung geliefert. Willkür sei nicht erkennbar. Damit bleibe der Schiedsspruch aufrecht – und die Verpflichtung zur Zahlung von 320.000 Euro bestehen. Das Gericht betonte jedoch auch, dass die Anwendung islamischer Rechtsvorschriften keinesfalls grenzenlos sei. Bestimmungen, die fundamentale Werte verletzen – etwa Gleichberechtigung, Verbot von Kinderehen, Schutz des Kindeswohls oder das Prinzip der Einehe – würden von der österreichischen Rechtsordnung nicht akzeptiert. Die Kontrolle erfolge über den sogenannten ordre public, also die Grundwertungen der Rechtsordnung.
Urteil mit Siganlwirkung?
Das Urteil hat Signalwirkung über den Einzelfall hinaus: Es macht deutlich, dass islamisches Recht in Österreich im Bereich privater Schiedsverfahren prinzipiell zulässig ist – solange die Ergebnisse nicht mit den fundamentalen Prinzipien des Staates kollidieren. Gleichzeitig wirft es Fragen auf, wie weit die Anerkennung religiöser Normen im österreichischen Recht tatsächlich gehen darf.
Credit: Foto: Matt Moyer/Getty Images
ℹ️ Dieser Beitrag stammt ursprünglich von blog.at
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