Lächeln mit Chernyshov: Österreichs Minister hofierten Tatverdächtigen in Korruptionsskandal

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ÖVP-Politiker und auch Meinl-Reisinger haben sich mit Oleksiy Chernyshov, den nun zur Verhaftung ausgeschriebenen Vize-Ministerpräsidenten der Ukraine, getroffen – hätten sie zumindest nicht heuer die Nachrichtendienste warnen müssen?
Der Vize-Ministerpräsident der Ukraine Oleksiy Chernyshov (48) soll sich irgendwo in Europa aufhalten, ein weitere Haupttatverdächtiger, Timur Mindich, ein guter Bekannter von Präsident Wolodymyr Selenskyj, soll es bis Israel geschafft haben.
Im Juni dieses Jahres kam der frühere ukrainische Infrastrukturminister Chernyshov in den Fokus der obersten Anti-Korruptionsbehörden. Das Nationale Antikorruptionsbüro erklärte ihn offiziell zum Verdächtigen in einem umfangreichen Ermittlungsverfahren. Am 23. Juni erhielt Chernyshov von der Speziellen Antikorruptionsstaatsanwaltschaft eine formelle Mitteilung über das laufende Verfahren wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs und der Bestechlichkeit.
Nur drei Tage später folgte der nächste Schritt: Der Hohe Antikorruptionsgerichtshof setzte den Politiker offiziell auf die Liste der Beschuldigten und verhängte eine Ausreisesperre. Chernyshov durfte die Ukraine seither nur noch mit richterlicher Genehmigung verlassen – eine Maßnahme, die bis zum Abschluss eines möglichen Gerichtsverfahrens bestehen bleibt.
Nach Angaben der Ermittler soll während seiner Amtszeit als Minister für Gemeinden- und Gebietsentwicklung seinen Einfluss missbraucht haben, um Grundstücke weit unter Marktwert an einen privaten Entwickler zu übertragen. Im Gegenzug, so der Vorwurf, soll er über ein System verdeckter Provisionen finanziell profitiert haben – es geht um extrem hohe Beträge. Die Ermittler sprechen von einem koordinierten Vorgehen, das sowohl dem Staat erheblichen Schaden als auch privaten Investoren unrechtmäßige Vorteile verschafft habe. Chernyshov weist alle Anschuldigungen zurück. Er bezeichnet die Vorwürfe als politisch motiviert.
Chernyshov war bei Innenminister Karner und auch Spindelegger
Für Österreichs Innenpolitik interessant: Am 30. Juni 2022 empfing Österreichs jetzige Außenministerin Beate Meinl-Reisinger (NEOS) den nun zur Verhaftung ausgeschriebenen ukrainischen Politiker in Wien. Mit dabei auch: der polarisierende EU-Abgeordnete Helmut Brandstätter (NEOS), wie Fotos des Medienteams des ukrainischen Vize-Ministerpräsidenten belegen.
Offizielle Vertreter der Republik Österreich lächelten also mit dem jetzt tatverdächtigen Oleksij Chernyshov in die Kameras.
Auch Fotos mit Gerhard Karner
Selbst in diesem Jahr noch, als die Anti-Korruptionsbehörden der Ukraine dann ab Juni auch offiziell gegen Chernyshov ermittelten, trafen sich Österreichs Minister gerne mit dem Ex-Nafto-Gas-Boss und Politiker: Sogar Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) posierte noch heuer mit dem Vize-Ministerpräsidenten, auch Ex-Vizekanzler Michael Spindelegger (ÖVP) hat sich in diesem Jahr mit Oleksij Chernyshov zu Gesprächen getroffen. Und Österreichs EU-Kommissar und Ex-Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) bot dem jetzt Tatverdächtigen heuer sogar noch eine große Bühne in Brüssel.
Für diese Politiker gilt: Sie haben den ukrainischen Politiker bereits getroffen, als von den Korruptionsermittlungen noch nichts offiziell bekannt war. Allerdings stellt sich die Frage: Hätten nicht Nachrichtendienste zumindest Österreichs Innenminister und auch den EU-Kommissar von einem Treffen abraten müssen?

In der Ukraine berichtete man auch über das Treffen mit den NEOS im Jahr 2022
Credit: Screenshot
Wie bereits berichtet, existiert seit Freitag nun auch ein Haftbefehl gegen Chernyshov, das teilte das Nationale Antikorruptionsbüro NABU mit. Der Politiker, der seit Jahren zu den einflussreichsten Figuren in der Regierung gezählt wurde, schweigt bislang zu den Vorwürfen – er sei aktuell auf Dienstreise in der EU. Dort trat Chernyshov übrigens erst im Juni dieses Jahres mit Österreichs EU-Kommissar Magnus Brunner (ÖVP) im Hauptquartier der EU-Kommission in Brüssel auf, auch vertrat der ukrainische Vize-Ministerpräsident schon früher Selenskyj bei offiziellen Terminen mit Ex-Kanzler Olaf Scholz (SPD).
Laut den von NABU veröffentlichten Tonaufnahmen sollen Beteiligte des Korruptions-Systems 1,2 Millionen US-Dollar und 100.000 Euro an Chernyshov gezahlt haben. Zudem soll er persönlich ein Geldwaschzentrum besucht haben, das eigens für das Korruptionsnetzwerk eingerichtet wurde. Recherchen der Investigativplattform Bihus.info deuten darauf hin, dass die illegalen Gelder in den Bau luxuriöser Anwesen südlich von Kiew geflossen sind – Villen, die angeblich für Chernyshov selbst, Timur Mindich und weitere Spitzen der politischen Führung vorgesehen waren.

Beate Meinl-Reisinger (NEOS) mit dem Ex-Vize-Ministerpräsidenten der Ukraine
Credit: Büro des Vize-Ministerpräsidenten der Ukraine

Eine Foto aus dem Juni 2025: EU-Kommissar Magnus Brunner mit dem nun gesuchten Oleksiy Chernishov Credit: Getty Images
ℹ️ Dieser Beitrag stammt ursprünglich von statement.at
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