Frankreich droht Polit-Beben: Le Pen vor dem Sprung an die Macht?

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Frankreich taumelt in die nächste Regierungskrise. Premier François Bayrou droht an der Vertrauensfrage zu scheitern – der dritte Regierungschef in nur einem Jahr. Präsident Macron wirkt machtlos, während Marine Le Pen ihre Chance wittert.
Während Präsident Emmanuel Macron außenpolitisch den großen Weltretter gibt – wortreicher Beistand für die Ukraine, Visionen eines Palästinenser-Staates – brennt es zuhause lichterloh. Frankreich steht am Abgrund, Marine Le Pen lauert. Premier François Bayrou muss sich am Montagnachmittag der Vertrauensfrage stellen. Viel spricht dafür, dass er scheitert – mitten in einer Phase, in der die zweitgrößte Volkswirtschaft der EU seit Monaten blockiert ist.
Bayrou, 74, erfahrener Zentrums-Politiker und selbst ernannter „Konsensstifter“, ist längst Symbol des Stillstands. Neun Monate im Amt, keine Mehrheit im Parlament – ein Schicksal, das schon seine beiden Vorgänger ereilte.

Premier François Bayrou
Abstimmung in der Nationalversammlung
Um 15 Uhr beginnt die Debatte in der Pariser Nationalversammlung. Alle 577 Abgeordneten sind extra aus der Sommerpause zurückbeordert worden. Nach Bayrous Rede, in der er für drastische Einsparungen werben will, wird eine hitzige Debatte erwartet. Bis zum Abend wird abgestimmt.
Für den Verbleib im Amt braucht Bayrou eine Mehrheit an Ja-Stimmen. Ein Nein bedeutet seinen Rücktritt – und die nächste Regierungskrise für Präsident Emmanuel Macron.
44 Milliarden Euro Einsparungen
Der Auslöser für den drohenden Sturz: Bayrous Plan, das Staatsdefizit durch Einschnitte von 44 Milliarden Euro zu drücken. Konkret sollen zwei Feiertage gestrichen und Sozialausgaben eingefroren werden.
Doch diese Vorschläge stoßen quer durch alle Lager auf Widerstand. Viele Abgeordnete sehen darin eine soziale Sprengladung. Deshalb entschied Bayrou, die Vertrauensfrage vorzuziehen – wohlwissend, dass ihn spätestens im Herbst eine Niederlage ereilt hätte.

Emmanuel Macron
Politikverdrossenheit und Wut auf die Eliten
Die Krise reicht jedoch weit über das Budget hinaus. Gegenüber dem Guardian erklärte Ipsos-Forscher Mathieu Gallard: „Es gibt eine breite Wut auf die politischen Führungspersönlichkeiten, die als nutzlos für das Volk gesehen werden, die mehr für ihre eigene politische Zukunft arbeiten als für das Land.“
Nur noch 15 Prozent der Franzosen trauen Macron laut Umfragen überhaupt zu, die Krise in den Griff zu bekommen. Eine neue Führungspersönlichkeit ist aber nicht in Sicht.
Soziologen warnen bereits vor einer Eskalation. „Es herrscht große Wut darüber, nicht gehört zu werden, und das Gefühl, dass die Politik in eine Sackgasse geraten ist“, erklärte Marion Carrel von der Universität Lille.
Macrons gefährliches Spiel
Die Wurzeln der Krise reichen ins Jahr 2024 zurück, als Macron die Nationalversammlung auflöste – in der Hoffnung, seine Mitte-Allianz zu stärken. Stattdessen entstand ein „hung parliament“, das seither jeden Premierminister verschleißt: Gabriel Attal trat zurück, Michel Barnier wurde nach drei Monaten gestürzt, nun steht Bayrou vor dem Aus.
Rechte im Aufwind
Während die Mitte kollabiert, reibt sich das Rassemblement National (RN) die Hände. Edwige Diaz, RN-Abgeordnete in Gironde im Westen Frankreichs, erklärte im Guardian: „Bayrous Vertrauensabstimmung ist für unsere Anhänger eine Quelle der Hoffnung.“ Die Partei bereite sich auf mögliche Neuwahlen vor, fügte sie hinzu: „Und diesmal haben wir die feste Absicht, sie zu gewinnen – was bedeuten würde, dass wir möglicherweise in vier Wochen an der Macht sein könnten.“
Auch linke Abgeordnete warnen vor diesem Szenario. Benjamin Lucas von der kleinen Partei Génération.s: „Diese Krise und die Wut der Franzosen nähren die extreme Rechte. Entweder die Linke hält zusammen, oder wir laufen Gefahr, dass Frankreich eines Tages eine rechtsextreme Regierung bekommt, was ganz Europa erschüttern würde.“
Straße in Aufruhr
Parallel wächst der Druck von unten. Bürgerbewegungen und Gewerkschaften kündigen Streiks und Blockaden an. Die Initiative „Bloquons Tout“ will kommende Woche Straßen und Betriebe lahmlegen. Ärzte, Bahnbeschäftigte, Schüler und Studenten planen Aktionen. Die Erinnerung an die „Gelbwesten“-Proteste von 2018 oder die Massendemonstrationen gegen die Rentenreform 2023 ist allgegenwärtig.
Wirtschaft unter Druck
Die nackten Zahlen zeigen, warum Bayrou auf radikale Einschnitte drängt: Frankreichs Defizit lag 2024 bei 5,8 Prozent des BIP, die Verschuldung erreichte im ersten Quartal 2025 rund 114 Prozent des BIP. Schon heute verschlingt der Schuldendienst sieben Prozent des gesamten Staatshaushalts. Doch Bayrous Rezept, ausgerechnet Sozialleistungen zu kürzen, dürfte die Protestwelle nur weiter anfachen.
Geschäftsleute und Wirtschaftstreibende setzen angesichts der anhaltenden Krise zunehmend auf Le Pen und das RN.
Foto: Marine Le Pen – APA/AFP/JEAN-FRANCOIS MONIER
Foto: François Bayrou – APA/AFP/JOEL SAGET
Foto: Emmanuel Macron – APA/AFP/Ludovic MARIN
ℹ️ Dieser Beitrag stammt ursprünglich von exxpress.at
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