Kolumne: “Naziland” – Wenn Polemik die Spaltung vertieft

Kolumne: “Naziland” – Wenn Polemik die Spaltung vertieft

18. Januar 2025 Allgemein 0
Fendrich

„Naziland“ – Reinhard Fendrichs Worte schlagen ein wie Kugeln aus einem rostigen Revolver. Sie hallen durch die Kommentarspalten auf Social Media und durch die Köpfe einer ohnehin schon aufgewühlten Nation. Ein Schlagwort, scharf und brutal, aber in seiner Wirkung genauso zerstörerisch wie die politischen Probleme, die es kritisieren will.

Was hat Fendrich sich dabei gedacht? Wollte er provozieren? Aufrütteln? Oder ist es einfach das Ergebnis von Frustration, von Zorn über eine Gesellschaft, die sich in ihren eigenen Extremen zerfleischt? Was auch immer seine Absicht war, eines ist sicher: Solche Worte sind kein Weckruf. Sie sind Teil des Problems.

Das Land der Lager: „Wir“ gegen „Die“

Die Wahrheit ist, dass Österreich tief in eine toxische Lagerkultur abgerutscht ist. Zuhören? Fehlanzeige. Verstehen? Ein Relikt vergangener Zeiten. Stattdessen regiert ein Schwarz-Weiß-Denken, das jeden Zwischenraum erdrückt. Die Rechten gegen die Linken, die Linken gegen die Rechten – ein ideologisches Ping-Pong-Match ohne Schiedsrichter. Und dazwischen? Ein riesiges Vakuum. Die politische Mitte, einst der Ort des Kompromisses, ist zu einem leeren Raum verkommen. Und die Gesellschaft? Sie hat die Kunst des Dialogs wie einen alten, ungenutzten Stuhl in die Ecke gestellt und zugedeckt.

Die zerstörerische Kraft der Worte

„Naziland“ ist ein extremes Wort für extreme Zeiten. Es mag aus Frustration heraus geboren sein, aber es erreicht genau das Gegenteil dessen, was es vermutlich bezwecken sollte. Statt aufzuklären oder zu einen, vertieft es die Gräben.

Das Problem? Worte wie „Naziland“ sind Futter für die Extreme. Die einen fühlen sich angegriffen und ziehen sich noch tiefer in ihre Opferrolle zurück. Die anderen fühlen sich bestätigt und schärfen ihre eigenen Angriffe. Es ist ein endloser Kreislauf, der jede Möglichkeit für ein echtes Miteinander im Keim erstickt.

Die Gefahr der Spaltung:
Ein Volk, zwei Realitäten

Es reicht, einen Blick in die Kommentare von Facebook zu werfen, um den Zustand dieses Landes zu verstehen. Dort brüllen sich Menschen gegenseitig an, werfen Beleidigungen durch die Luft, als wären sie Handgranaten.

„Ihr linksversifften Gutmenschen!“ „Ihr Nazi-Bande!“ – Das ist der tägliche Ton. Es geht nicht mehr um Argumente oder Lösungen. Es geht nur noch darum, die andere Seite zu vernichten, sie als dumm, böse oder unwürdig darzustellen.

Was dabei verloren geht, ist die Fähigkeit, Brücken zu bauen. Niemand hört mehr zu. Es gibt kein „Vielleicht hast du recht“ oder „Lass uns darüber reden“. Es gibt nur noch „Du bist falsch“ und „Ich bin richtig“.

Reinhard Fendrich hat recht: In diesem Land läuft etwas gewaltig schief. Aber auch seine Wortwahl zeigt, was falsch läuft. Wir haben aufgehört, miteinander zu reden. Wir haben uns in Lager aufgeteilt, in Blasen, in kleine Parallelwelten, in denen wir uns immer nur selbst bestätigen.

Was Österreich jetzt braucht, ist kein weiteres Schlagwort, keine weitere Polemik, keine weiteren Schuldzuweisungen. Was Österreich braucht, ist ein radikaler Schritt zurück. Ein Schritt, der uns erlaubt, wieder zuzuhören.

Österreich ist nicht „Naziland“. Es ist auch nicht der moralische Leuchtturm Europas. Es ist ein Land voller Widersprüche, voller Konflikte, voller Probleme. Aber es ist auch ein Land mit Potenzial. Die Frage ist, ob wir bereit sind, dieses Potenzial zu nutzen. Oder ob wir uns weiter in Lager aufteilen, weiter schreien, weiter hetzen – bis von diesem Land nichts mehr übrig ist als ein Scherbenhaufen, den niemand mehr zusammenkleben kann.

 

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