Lorenza Messina Denaro
Lorenza Messina Denaro, Tochter des Mafiabosses und Killers Matteo Messina Denaro, hat sich immer von ihrem Vater ferngehalten. Jetzt ist er gestorben, doch Lorenza lässt ihn weiterleben: Kürzlich hat sie seinen Namen angenommen.
Ich bin ein ganz normaler Mensch. Tut einfach so, als ob es mich nicht gäbe!» Das sagte Lorenza einmal einem Fernsehteam, das sie über ihren Vater ausfragen wollte. Damals war Matteo Messina Denaro der meist gesuchte Mafioso Italiens, und – so schien es – seine Tochter wollte nichts mit ihm zu tun haben. Am Mittwoch aber, als der Mafiaboss beerdigt wurde, nachdem er seinem Krebsleiden im Spital erlegen war, zeigte sie sich von einer neuen Seite: Die 27-jährige Mutter eines 2-jährigen Knaben hatte kurz vor dessen Tod den Namen des Vaters angenommen. Das Versteckspiel war damit zu Ende.
Kein Wunder, waren alle Kameras auf sie gerichtet, als der Leichenwagen zum Friedhof von Castelvetrano vorfuhr. Lorenza trug schwarze Trauerkleider, Sonnenbrille und versuchte ihr Gesicht hinter ihrer Handtasche zu verstecken. Es war eine Blitzbeerdigung, dreißig Minuten dauerte sie nur; ohne Messe, ohne Pfarrer, nur im kleinsten Familienkreis. Mehr hatte die Obrigkeit im westsizilianischen Städtchen nicht erlaubt. Schließlich handelte es sich beim Toten um einen brutalen Mörder. Mit seinen Opfern, die er eigenhändig umgebracht habe, könne man «einen Friedhof füllen», hatte er einmal geprahlt.
Lorenza wurde 1996 geboren, drei Jahre nachdem ihr Vater untergetaucht war. Das Mädchen wuchs zusammen mit ihrer Mutter Francesca Alagna im Hause der Großmutter (väterlicherseits) auf, deren Vorname sie auch trägt. Als Lorenza Alagna volljährig wurde, verließ sie mit ihrer Mutter das Haus und zog weg aus Castelvetrano. Man deutete dies als Zeichen, dass sie nichts mehr mit dem Mafia-Clan zu tun haben wollte. Schon ihr Großvater war ein berüchtigter Boss gewesen.
Was habe ich nur getan, dass sie mich so hasst?
Lorenza soll ihren Vater erst nach seiner Verhaftung Anfang dieses Jahres zum ersten Mal gesehen haben. Das beteuern auch die Mafiajäger, die darauf gehofft hatten, durch die Tochter an den Gesuchten zu gelangen. Es gab aber indirekte Kontakte. Als Messina Denaro gefasst wurde, fand man in seinen Verstecken «pizzini», Zettelchen mit versteckten Botschaften, die er Mittelsmännern zukommen ließ. Dort spricht er auch über seine Tochter und gibt Anweisungen: «Halte dich von Welten fern, die du nicht kennst!» Oder er schreibt, sie sei «im Innersten degeneriert», nennt sie «ebete», Dummerchen, spricht durchs Band schlecht über sie. Und fragt weinerlich: «Was habe ich nur getan, dass sie mich so hasst?»
Heute lesen sich diese Sätze in einem anderen Licht. Und vielleicht hätte man schon früher zweifeln sollen. Mafiosi meinen höchst selten, was sie sagen. Andere auf die falsche Fährte zu führen, gehört zur Kernkompetenz dieser Schattenexistenzen. Es sichert ihr Überleben. Und jenes der Menschen, die ihnen nahe stehen.
Achillesferse des Mafioso
Jedenfalls war es besser für die Involvierten, wenn alle glaubten, dass zwischen Vater und Tochter keine Nähe bestand. Die Familie ist die Achillesferse eines Mafioso, das wusste Matteo Messina Denaro nur zu gut. Er hatte 1993 den kleinen Giuseppe entführen lassen, damit sein Vater, Mitglied eines verfeindeten Clans, nicht vor Gericht aussagt. Nach 779 Tagen wurde der Junge erdrosselt und sein Leichnam in Säure aufgelöst.
Man geht davon aus, dass der Boss in der Zeit, als er untergetaucht war, Milliarden gescheffelt hat.
Das und noch viel mehr weiß Lorenza, als sie am 26. April dieses Jahres ihrem Vater zum ersten Mal begegnet. Es ist sein Geburtstag, und sie postet an diesem Tag auf Facebook ein rotes Herzchen. Danach geht sie ihn regelmäßig zusammen mit ihrem Sohn besuchen, zieht gar nach L’Aquila in den Abruzzen, wo sich das Hochsicherheitsgefängnis befindet. Am 7. August gibt Matteo Messina Denaro schließlich seine Einwilligung: Lorenza darf seinen Nachnamen tragen. Sie ist nun Alleinerbin. Ihr Vater hat nie geheiratet, Lorenza ist sein einziges Kind.
Für den Mafiaexperten Roberto Saviano und viele andere Beobachter ist klar, warum sie das tut. Es steht schon im Namen: Denaro, das liebe Geld. Man geht davon aus, dass der Boss in der Zeit, als er untergetaucht war, Milliarden gescheffelt hat.
Und doch ist das nicht alles, wie sich etwa während Lorenzas Schulzeit zeigte. Als damals für die Opfer der Mafia Aufklärungsarbeit geleistet wurde, bat Lorenza die Lehrerin, das Klassenzimmer verlassen zu dürfen. Als sie die Lehrerin später nach dem Grund fragt, antwortet das Mädchen: «Für Sie mag Matteo Messina Denaro ein Krimineller sein, ein Mörder, ein schrecklicher Mensch. Für mich ist er immer mein Vater.»
Viva Lorenza ❤️
👉🏻 Matteo Messina Denaro, Capo dei Capi, Cosa Nostra ist gestorben