Österreichs Top-Militäranalyst Reisner: „Europa verlängert das Leid der Ukraine nur“

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Oberst Markus Reisner warnt vor einer strategischen Krise: Die Ukraine verliert Optionen, die USA ziehen sich zurück – und Europas Zögern droht sicherheitspolitisch gefährlich zu werden.
Bundesheer-Oberst Markus Reisner sieht die Ukraine und ihre westlichen Partner an einem Wendepunkt. Während Russland seine Offensivoperationen ausweitet und in der Stadt Pokrowsk militärisch weiter vorrückt, kritisiert der Leiter des Instituts für Offiziersausbildung an der Theresianischen Militärakademie die europäischen Staaten für mangelnde Entschlusskraft.
Reisner verweist auf die anhaltend hohen russischen Angriffe entlang der Front. Pokrowsk sei faktisch gefallen, auch wenn Kiew einzelne Häuserblocks weiterhin als umkämpft melde. Russland zerstöre verbliebene ukrainische Stellungen zunehmend mit Gleitbomben von bis zu 1500 Kilogramm, statt sie in verlustreichen Straßenkämpfen einzunehmen. Gleichzeitig beobachtet der Offizier neue russische Vorstöße in Richtung Saporischschja sowie eine drohende Ausweitung der Kämpfe im Raum Siwersk.
Die russische Taktik bleibe unverändert: kleine Stoßtrupps, die Schwachstellen suchen, sich im Hinterland sammeln und dann mit massiver Luftunterstützung zuschlagen. Das Ergebnis sei ein langsamer, aber stetiger Vormarsch.
Mit dem amerikanischen Friedensplan und der Debatte darüber habe eine neue Phase des Krieges begonnen, betont Reisner. Moskau intensiviert laut seiner Analyse die Angriffe, um ukrainische Reserven zu binden und die Initiative zu behalten. Die Ukraine versucht zwar mit Angriffen auf Ziele in Russland und die russische Schattenflotte Druck aufzubauen, stehe strategisch jedoch immer stärker ohne Optionen da – nicht zuletzt, weil Washington unter Trump die Unterstützung zurückfährt und Europa diese Lücke nicht füllen kann.
Risiko militärischer Zerreibung
Reisner skizziert drei mögliche Endpunkte: ein eingefrorener Konflikt nach koreanischem Muster, eine Teilung nach deutschem Vorbild oder ein erzwungener Friedensvertrag wie im finnischen Szenario 1940 – in allen Fällen mit territorialen Verlusten für die Ukraine. Ein Weiterkämpfen ohne substanzielle westliche Hilfe berge das Risiko einer militärischen Gesamtzerreibung, warnt der Offizier.
Besonders scharf fällt seine Kritik an Europas politischem Umgang mit dem Krieg aus. Das halbherzige Unterstützungsmodell sei „höchst unmoralisch“, da es das Leid lediglich verlängere, ohne eine realistische Perspektive auf Erfolg. Während Russland massive Unterstützung aus China, Indien und Nordkorea erhalte, werde Europa geopolitisch zum Zuschauer degradiert. Der chinesische Außenminister habe unmissverständlich klargemacht, dass Peking eine Niederlage Moskaus nicht akzeptieren werde.
Für Reisner ist die strategische Konsequenz eindeutig: Europa werde bei großen Entscheidungen zunehmend von den USA, Russland und China übergangen, weil es militärisch nicht ausreichend handlungsfähig sei. Ohne eine selbstbewusste Aufrüstung und sicherheitspolitische Konsolidierung drohe der Kontinent zum Objekt fremder Interessen zu werden, statt selbst gestaltende Kraft zu bleiben.
Seine Warnung fällt klar aus: Europa muss sich entscheiden, ob es in der künftigen Machtordnung eine Rolle spielen will – oder ob es Gefahr läuft, sicherheitspolitisch marginalisiert zu werden.
Foto: Oberst Markus Reisner. Credit: BMLV
ℹ️ Dieser Beitrag stammt ursprünglich von statement.at
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